Veranstaltung: | Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | #6 Antrag A1 Verkehrsteilnehmer schützen |
Antragsteller*in: | AG Stadtentwicklung und Mobilität (dort beschlossen am: 16.03.2017) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.03.2017, 11:07 |
A1: Verkehrsteilnehmer schützen – GRÜNE Lösungen für ein faires Miteinander
Antragstext
1. Ausgangslage
Leipzigs Einwohnerzahl wächst, und mit ihr auch die Anzahl privater PKW im
Stadtgebiet. Diese Fahrzeuge verursachen nicht nur mehr fließenden, sondern vor
allem mehr ruhenden Verkehr. Statistisch gesehen steht jedes private KFZ ca. 23
h pro Tag auf Parkplätzen und wird nur für ca. 1 h genutzt (VCD zum Thema
Carsharing, https://www.vcd.org/themen/auto-umwelt/carsharing/). Dem gegenüber
steht eine Stadt mit gleichbleibend großer Fläche, in der die Interessen aller
Verkehrsteilnehmer und deren Platzbedarfe wohlüberlegt abgewogen werden müssen.
Sowohl für den fließenden (motorisierter Individualverkehr, ÖPNV, Radverkehr,
Fußverkehr) als auch den ruhenden Verkehr (vor allem motorisierter
Individualverkehr, aber auch Radverkehr) müssen die zugeteilten Flächen mit
Bedacht bemessen werden.
a) Radfahrstreifen
In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis, unter anderem auch auf Initiative
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu Gunsten von getrennten Radfahrstreifen, vor allem
an stark befahrenen Ausfallstraßen, entwickelt. Die Separierung des Radverkehrs
vom motorisierten Individualverkehr (MIV) hat das Potential, die Sicherheit für
RadfahrerInnen nachhaltig zu verbessern. Da der Straßenraum naturgemäß in
bebauten Gebieten begrenzt ist, wurde der dafür benötigte Platz meist zu Lasten
des MIV umgewidmet. Dies führte zur Verringerung und Kanalisierung von
Fahrspuren und zum Wegfall von Parkflächen am Straßenrand. Diese Radfahrstreifen
sind für RadfahrerInnen benutzungspflichtig und dürfen nicht verstellt werden
(Anlage 2 zu §41 StVO, Abschnitt 5).
b) Gehwege
Laut StVO, §25 (1) müssen FußgängerInnen Gehwege benutzen. Um diese
Benutzungspflicht auch zu gewährleisten, ergibt sich für Gehwege eine
Mindestbreite von 2,50 m, bestehend aus 1,80 m Breite für die Begegnung von zwei
sich entgegenkommenden FußgängerInnen und je 0,20 m zur Hauswand sowie 0,50 m
Seitenabstand zur Fahrbahn (RASt, 6.1.6.1). Außerdem sind Kreuzungen und
Fußgängerüberwege barrierefrei durch abgesenkte Bordsteinkanten und
Blindenleitsysteme zu gestalten. Diese Maßnahmen ermöglichen eine sichere und
bequeme Benutzung der Gehwege durch alle Menschen. In Leipzig sollen möglichst
alle Gehwege mit diesen Eigenschaften bei Neubau oder Sanierung versehen werden.
Die genannte Mindestbreite darf außerdem nicht verstellt werden.
c) Öffentlicher Parkraum
In Leipzig gibt es aktuell drei verschiedene Arten für PKW-Nutzer, einen
öffentlichen Parkplatz zu nutzen: 1) ohne Einschränkung der Parkzeit, 2) mit
Einschränkung der Parkzeit durch die Nutzung einer Parkscheibe, und 3) mit
Einschränkung der Parkzeit durch kostenpflichtige Parkscheine. Parkplätze ohne
Einschränkung der Parkzeit (1) finden sich häufig, wenngleich nicht
ausschließlich, in Wohngebieten, Parkplätze mit Parkscheibennutzung (2) an
Ausfallstraßen und in stark frequentierten Gebieten und kostenpflichtige
Parkplätze (3) in der Innenstadt.
2. Probleme
Wer sich mit offenen Augen durch die Stadt bewegt, wird beständig Park- und
Halteverstöße wahrnehmen.
a) Parken auf Radfahrstreifen
Durch die Benutzungspflicht besteht auf Radfahrstreifen absolutes Park- und
Halteverbot (Anlage 2 zu §41 StVO, Abschnitt 5). Jedes dort abgestellte Fahrzeug
stellt also eine Ordnungswidrigkeit dar. Dieses Vergehen ist kein
Bagatelldelikt, sondern gefährdet RadfahrerInnen und schränkt sie in ihrem Recht
auf die Benutzung des Radwegs ein. Dies zwingt RadfahrerInnen zu oftmals
gefährlichen Manövern in den fließenden Autoverkehr, um das haltende
Kraftfahrzeug zu umfahren. Solche Ausweichbewegungen stellen ein erhebliches
Unfallpotential zwischen Auto- und Radverkehr dar und bremsen außerdem den
motorisierten Verkehr.
b) Parken auf Gehwegen
Auch auf Gehwegen trifft man immer wieder auf widerrechtlich abgestellte
Kraftfahrzeuge. Gerade an Kreuzungen, die von FußgängerInnen für
Straßenquerungen genutzt werden, müssen aus Sicherheitsgründen freie
Beweglichkeit und Sicht für die Querung der Straße sichergestellt sein. Auch ist
die Mindestdurchgangsbreite sicherzustellen. Ebenso sind Gehwege nicht geeignet,
dem Gewicht von parkenden Kraftfahrzeugen dauerhaft standzuhalten. Schnellerer
Verschleiß und daraus resultierende zunehmende Unebenheiten führen zu
Komfortverlusten für FußgängerInnen und zwingen die Stadt zu kostenintensiven
Sanierungen.
c) Parken an Baumscheiben und Gehwegnasen
An neu gestalteten Straßen, vor allem in Wohngebieten, finden sich mittlerweile
Straßenbäume, die den Parkstreifen unterbrechen. Diese Unterbrechung des
Parkstreifens führt häufig zum regelwidrigen Parken an den Baumscheiben auf der
Fahrbahn. Dieses Verhalten verengt die Straßenbreite und es entstehen lokale
Engstellen, die oft im Zickzack angeordnet sind. Dadurch wird die Durchfahrt für
zweispurige Fahrzeuge erschwert; vor allem Rettungsfahrzeuge, Lieferfahrzeuge
und Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs können diese Engstellen oft nur
langsam oder gar nicht passieren.
d) Halten von Wirtschaftsverkehr auf Radfahrstreifen und Gehwegen
Wie jede Stadt ist auch Leipzig auf Wirtschaftsverkehre aller Arten angewiesen.
Aktuell kommt es im gesamten Stadtgebiet, häufig jedoch an lokalen
Schwerpunkten, zu Park- und Halteverstößen auf Geh- und Radwegen durch
MitarbeiterInnen u.a. im Liefer- und Taxigewerbe. Wie auch das Parken stellt das
kurzzeitige Halten auf diesen Wegen kein Bagatelldelikt dar; die Gefährdung des
fließenden Rad- und Fußverkehrs besteht ebenso wie beim Parken (vgl. 2a und b).
3. GRÜNE Lösungen
a) Parkraumbewirtschaftung
BÜNDNIS 90/Die Grünen setzen sich für die konsequente Ausarbeitung und Umsetzung
eines stadtweiten Parkraumbewirtschaftungssystems ein. Dieses System soll drei
Hauptzwecke erfüllen: durch die Erhebung von Parkgebühren soll 1) die Nutzung
eines privaten PKW unattraktiver werden; die Nutzung von Carsharing, ÖPNV,
Fahrrad und die Fortbewegung zu Fuß soll damit gefördert werden, 2) die Nutzung
privater Parkhäuser günstiger und damit attraktiver werden; dadurch wird
öffentlicher Raum, der bisher als Parkfläche diente, für andere Nutzungen frei,
und 3) für die Stadt Leipzig sollen zusätzliche Einnahmen generiert werden. Aus
diesen Gründen fordern wir die Verwaltung der Stadt Leipzig zur Ausarbeitung und
Umsetzung eines stadtweiten Parkraumbewirtschaftungssystems auf.
b) Ordnungsamt stärken
Wir fordern wesentlich mehr Personal für die Verkehrsraumüberwachung innerhalb
des Leipziger Ordnungsamts. Jede der genannten Verkehrsverstöße ist eine
Ordnungswidrigkeit und kann schon heute geahndet werden. Ohne kontrollierendes
Personal können diese Verstöße jedoch nicht aufgenommen werden. Das Ordnungsamt
muss befähigt werden, rund um die Uhr und auch am Wochenende die Parksituation
innerhalb der Stadt zu kontrollieren und zu sanktionieren.
Außerdem fordern wir die Einrichtung von mindestens zwei Fahrradstaffeln für die
Verkehrsraumüberwachung, bestehend aus jeweils zwei MitarbeiterInnen. Dies soll
die Effizienz der Verkehrsraumüberwachung erhöhen und den Blick der
MitarbeiterInnen für Verstöße auf Rad- und Gehwegen schärfen. Zwei Jahre nach
der Einrichtung der Radstaffeln soll deren Erfolg evaluiert und gegebenenfalls
weitere Staffeln eingerichtet werden.
c) Parkverstöße konsequent ahnden
Parkverstöße werden aktuell in Leipzig selten bis gar nicht sanktioniert. Es
haben sich deutliche räumliche (Südvorstadt, Connewitz, Plagwitz, Schleußig,
Lindenau, etc.) und zeitliche (wochentags zwischen 20 – 8 Uhr, am Wochenende
meist ganztägig) Schwerpunkte herausgebildet. Regelwidrig abgestellte Fahrzeuge,
die die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer einschränken, werden aktuell nicht
abgeschleppt, sondern lediglich per 'Knöllchen' sanktioniert.
Wir fordern deshalb die konsequente Durchsetzung der Verkehrsregeln. Fahrzeuge,
die die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer einschränken, müssen abgeschleppt
werden, um die Sicherheit aller wiederherzustellen. Dazu gehören Fahrzeuge auf
Radwegen, in Kreuzungs-bereichen auf der Fahrbahn und an abgesenkten
Bordsteinkanten auf dem Gehweg. Das Abschleppen von Fahrzeugen, die andere
Verkehrsteilnehmer behindern, muss zur Regel werden. Eine rechtliche Grundlage
dafür legt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, AZ 5 A 954/10 vom
15.04.2011: Fahrzeuge, die die Breite benutzungspflichtiger Radwege durch
Falschparken einschränken, sind abzuschleppen.
Fahrzeuge, die zwar regelwidrig abgestellt wurden, jedoch keine Gefahr für
andere Verkehrsteilnehmer darstellen, müssen unbedingt geahndet werden.
Außerdem fordern wir ein Onlineportal inklusive Smartphone-App für die schnelle
und einfache Anzeige von Falschparkern durch die Bevölkerung. Dies soll die
Verkehrssicherheit und das Bewusstsein für Verkehrsverstöße erhöhen. Als Vorbild
hierfür dient die App 'Ordnungsamt-Online' des Ordnungsamtes Berlin.
d) Lieferzonen schaffen
Wir schlagen vor, in Zonen mit hohem Lieferverkehrsaufkommen zeitlich begrenzte
Lieferzonen einzurichten. Diese Lieferzonen sind in Zeiten mit geringem
Lieferverkehrsaufkommen dem normalen Parkraum zuzuordnen. FahrerInnen von
Lieferfahrzeugen dürfen durch fehlende Stellplätze nicht dazu gezwungen werden,
auf Rad- und Gehwegen oder in zweiter Reihe zu halten. In Zusammenarbeit mit
Gewerbetreibenden sind solche Zonen zu identifizieren und einzurichten. Diese
Zonen befähigen FahrerInnen von Liefer- und Paketdiensten, regelgerecht zu
halten.
Ebenso fordern wir die Stadt Leipzig auf, Liefer- und Paketdienste durch
entsprechende wirtschaftliche Anreize oder Fahrverbote zur Nutzung möglichst
kleiner Lieferfahrzeuge mit umweltfreundlichen Antrieben zu bewegen. Der Platz
innerhalb der Stadt ist begrenzt; notwenige Belieferungen von Gewerben und
Privatpersonen müssen, soweit möglich, unbedingt mit platzsparenden und
umweltfreundlichen Fahrzeugen erbracht werden.